Maria Wiethaler


Die Stimme


Blumenau: Eine Halle, so groß wie vier Fußballfelder,  800.000 Besucher pro Saison, ein Mekka der Dirndl- und Lederhosenträger, Leidenschaft, südamerikanisches Temperament, spanische Zurufe – hoppla, werden Sie denken, jetzt stimmt was nicht. Was hat ein Münchner Stadtbezirk mit Südamerika zu tun? Genau genommen – nichts. Denn das Blumenau, von dem hier die Rede ist, liegt in Brasilien und ist eine ehemalige deutsche Kolonie. Bei der Erwähnung zu München wird die Sache schon heißer. Denn im brasilianischen Blumenau findet jedes Jahr das weltweit zweitgrößte Oktoberfest statt. Und 2014 – mit einer bayerischen Band und ihrer Sängerin – Maria Wiethaler.

 

 

Drei Wochen stand sie mit den Deggendorfer Stadlmusikanten, einer zusammengewürfelten Gruppe von Musikern, mit denen sie das brasilianische Abenteuer teilte, auf der Bühne. Brasilien – für Maria eine große Bereicherung. „Die nehmen das Leben viel leichter als wir und beim Feiern können wir von ihnen noch was lernen. Auf der Bühne scheiß ich mir nix, aber vor jeder mündlichen Prüfung rutscht mir das Herz in die Hose." Was hat sie sonst noch aus Brasilien mitgenommen? „Einfach zwischendurch mal dasitzen und nix tun. Geht bei mir leider nur selten. Entweder schau ich dann auf's Handy oder muss irgendwas anderes machen. Die Brasilianer sind da viel entspannter. Auch was die Pünktlichkeit betrifft. Die gibt's dort nicht. Ich meine damit nicht, dass ich zum Chef sagen würde - Chef heid ned, vielleicht morgn wieda- aber in der Freizeit sollte man es schon ruhiger angehen lassen und den Moment genießen können."

 

 Das ist die Maria, wie sie leibt und lebt. Offen, das Herz auf der Zunge, geradlinig und mit strahlenden Augen sitzt sie da und lächelt positive Schwingungen in die Welt. Sie ist eine großartige Erzählerin und würzt mit unterhaltsamen Episoden. Und hübsch ist sie auch noch. Sehr hübsch!

 

Seit ihrem Studium (Ernährungswissenschaften 5. Semester) wohnt sie in München-Bogenhausen. Nobel! „Nein", sagt sie. „Eher Unterföhring.  Seit sich meine erste Studenten-WG aufgelöst hat, hat sich mein Freund meiner erbarmt und mich aufgenommen. Superlage, ruhig, neben einem Bauernhof, wo samstags der Traktor rumfährt. Fast wie daheim. Taugt mir total."

Ihr Zuhause ist der Wiethalerhof, zwischen Essenbach und Altheim gelegen. Aufgewachsen ist sie mit ihrem Bruder, den Großtanten Maria und Resi, denen sie viel zu verdanken hat. Sie waren es, die sie  morgens aufgeweckt und zum Bus begleitet haben, weil die Eltern schon auf dem Feld gearbeitet haben. Auch die Zeugnisse kontrollieren gehörte zu Tante Resis Aufgaben, zusammen mit dem Kommentar: „Des muaß fei besser wern." Mit den Cousinen und Cousins am Bach entlang laufen, Dämme bauen, Kaulquappen fangen und abends von Papa Grimm's Märchen vorgelesen bekommen - das war Kindheit und heile Welt. Später kam noch der jüngere Bruder Josef dazu.

 

„Ich bin ein Sandwichkind, sagt die Mama immer. Ich schlängle mich so durch. Dabei bin ich gewissenhaft, ordentlich und aufgeräumt." Fast klingt es ein bisschen nach Protest. Ja die Mama! Zum 50sten Geburtstag hat sich Maria etwas Besonderes für sie einfallen lassen. Es sollte nichts materielles sein, kein Staubfänger, sondern etwas das berührt, eine bleibende Erinnerung. Sie schenkte ihrer Mutter ein eigenes Lied: „Mama ich liebe dich". Zu hören auf Youtube. Bitte vorher Taschentuch bereit halten, sehr bewegend und emotional, besonders Marias Stimme - anrührend, klar, ausdrucksstark.

 

Seit dem Tag, an dem Lehrkräfte ihre Stimme hörten, und ihr die Musikakademie empfahlen, hat sie sich gedacht - hey, (das sagt sie gern - und ha)  ha, das mach ich nicht, aber Gitarre bringe ich mir bei. Beim Mathelernen fiel ihr der Text für das Abilied ein und weil in einer Zeitungsanzeige eine Sängerin gesucht wurde, schickte sie dort auch gleich ein Video hin. Seitdem ist sie mit den „Rockoons", einer Ergoldsbacher Band, als Leadsängerin unterwegs, die in dem Genre Schlager, Oldie, Alpenrock, aktuellen Pop- und Rocksongs auf Hochzeiten, Tanzbällen und sonstigen Veranstaltungen spielt. „Menschlich muss es passen. Wir sind alle aus einem Holz, die Jungs haben musikalisch was drauf, kennen das Geschäft. Seitdem sag ich von mir, dass ich Sängerin bin." 25 Auftritte pro Jahr, also jedes zweite Wochenende ist sie auf Tour und das soll auch so bleiben, nicht mehr, nicht weniger. Dem Bayerischen fühlt sich sich besonders verbunden. „Da kann ich mehr Gefühl reinlegen." Musiker wie Matthias Kellner,  Stefan Dettl, Claudia Koreck, inspirieren sie. Und selbst Songs schreiben? „Bisher war noch nix dabei, was ich unbedingt mit der Welt teilen wollte." Den Anfang hat sie ja schon gemacht. Wer weiß, was noch kommt, denn ihre Gitarre und sie sind eine Einheit!

 

 

Maria Wiethaler, die sich selbst als harmoniebedürftig charakterisiert, ist Kommunikation sehr wichtig. „Am besten die Karten gleich auf den Tisch, alles ausreden und vor allem sagen, was man denkt. So lassen sich Konflikte besser lösen." Bei charakterlichem Fehlverhalten mischt sie sich ein. „Wenn sich so g'schleckte Typen daneben benehmen – da sag ich schon mal was." 

 

Bringt sie sonst noch was auf die Palme? „Wenn ich stundenlang auf der Hinterachse sitzen muss und hin und her geworfen werde, wie auf einem Feldweg, in der Hitze nix zu trinken bekomme, bin ich nicht so gut ansprechbar. Das vergeht aber dann auch wieder schnell," erzählt sie von einem Ausflug in Brasilien. „Oder wenn technisch was nicht funktioniert. Aber ned so, dass ich sag, jetzt hau ich des Glump glei zamm, sondern ich stelle es zur Seite und dann kann es mich gern haben." 

 

In München schaltet Maria sprachlich um. „Denn in der bayerischen Hauptstadt spricht man nicht mehr bayerisch. Und wenn ich mal einen bayerischen Laut höre, dreh ich mich erstaunt um", berichtet sie. Studieren in München - ja. Später dort leben - nein. Dann schon lieber daheim in Essenbach, wo man die Leute kennt. Schule, Kindergarten, Geschäfte - alles da, was man braucht. Aber bis es soweit ist, radelt sie weiterhin durch den Englischen Garten, überwindet ihren inneren Schweinehund und geht ins Fitnessstudio, beginnt den Tag mit einem guten Frühstück und kocht fünf Mal die Woche aus Oma und Mamas Rezeptbücherl. „Da koch ich mich durch," sagt die genussfreudige Maria. Und mit welchem Frühstück startet sie in den Tag?, frage ich die angehende Ernährungswissenschaftlerin. „Mei, Müsli mit frischem Obst, Rührei . . . „Halt," unterbreche ich sie. „Und das Cholesterin?" „Immer des Gschiss mit dem Cholesterin. Dabei ist das gar kein Problem, wenn man normal isst und sportlich aktiv ist," klärt sie mich auf. „Wenn man einem Kaninchen, des Pflanzenfresser ist, fünf Eier hintereinander zum Fressen gibt, dann stirbst natürlich. Und so eine Studie wird dann auf den Menschen übertragen und alle denken auf einmal, dass zu viel Eier schädlich sind." Da regt sie sich auf, die Maria. Allein diese Schilderung wäre schon einen Song wert. Schade, dass sie nicht live dabei waren. Du solltest dich doch als Songwriterin engagieren, Maria!

 

Die Musik möchte sie nie aus den Augen verlieren, später, wenn sie vielleicht in einem Unternehmen tätig ist, das gluten-und histaminfreie Lebensmittel produziert, um Allergikern das Leben leichter zu machen. Das wäre ihr Berufsziel. Und weiterhin auf der Bühne stehen, den Kontakt zum Publikum spüren, das mitgeht, mit klatscht, tanzt. „Das schönste, was einem Musiker passieren kann."

 

Ist die Sängerin mit der begnadeten Stimme eigentlich eitel? „Sang ma mal so: Der Haargummi muss nicht zur Unterhose passen." Das sind Sätze, die schießt sie aus der Hüfte. Lieber investiert sie ihre Zeit, um am Münchner Flaucher das Gruppenverhalten von Menschen zu beobachten, Gestik und Mimik zu deuten.  Oder liest Bücher zum Thema Down-Syndrom, weil sie daran interessiert ist, wie sie das Leben mit ihren kognitiven Fähigkeiten meistern. 

 

Und schon ist wieder Wochenende. Da fährt sie heim zu ihren Eltern und Geschwistern, „weil's dahoam hoid am schönsten is." 

Und weil's a Herz hod, wia a Bergwerk – die Maria Wiethaler.

 

(Infos, Auftritte, Kontakt unter www.mariawiethaler.de)

Dieser Text ist erstmals erschienen im Essenbacher Weihnachtsfenster 2015